Friedrich Cerha

Faßbar ist er kaum. Seit er den dritten Akt von Bergs »Lulu« fertiggestellt hat, heißt es, er könne das Erbe der Wiener Schule nicht abschütteln. Und doch »bergte« es in seiner Musik schon zu einer Zeit, da er von seinem angeblichen Vorbild noch keine Note gehört hatte!

Außerdem hat Cerha viele Gesichter. Da ist auch jenes des witzigen, hintergründigen Wieners, der sein Wienertum weder verleugnen kann noch will. Wer Cerhas »Chansons« gehört hat, der bewertet auch manch »schwierigere« Komposition dieses Meisters anders: Was angeblich nach Berg klingt, ist vielleicht einfach zutiefst »wienerisch« gefärbt, in dem Sinn, in dem sogar der einstige Mitstreiter und Antipode Roman Haubenstock-Ramati dieses Adjektiv als Vortragsbezeichnung verwendet hat.
Für diesen und viele – ganz anders geartete – andere Kollegen hat sich Cerha auch als Interpret und Mitbegründer des Ensembles »die reihe« eingesetzt.
Von Kurt Schwertsik bis zu etlichen dankbaren Schülern reicht die künstlerische Ahnen- und Verbündetengalerie des Jubilars, der an seinem 75. Geburtstag auf ein reiches und erfolgreiches Schaffen zurückblicken darf, das ihn als Serialisten, als Chansonnier, zupackenden Dramatiker und filigranen Konstrukteur, als Klangmaler, als Freund afrikanischer Rhythmen zeigt. Es ist ein Neugieriger, ein Vielseitiger, ein wahrhaft produktiver Geist, der da Geburtstag feiert.

Zu den ehrgeizigsten Projekten Cerhas zählte neben seinen großformatigen Bühnenwerken Baal (nach Brecht) und Der Rattenfänger (Zuckmaayer) der Orchester-Zyklus Spiegel, der ebenfalls für eine szenische Umsetzung gedacht war, mittlerweile aber zu den Hauptwerken der Orchesterliteratur der Nachkriegszeit gezählt wird.

→ «Baal» an der Wiener Staatsoper


→ Der Komponist im Gespräch 1992

↑DA CAPO